Darum sollten sich Netzbetreiber auf Daten und Software konzentrieren

Die Energiewirtschaft steht einem drastischen Wandel gegenüber. Für einen erfolgreichen Übergang muss sie von der reaktiven zur proaktiven Netzsteuerung wechseln. Dazu sind Lösungen für Daten und Software genauso wichtig wie die Hardware, schreibt Jens Dalsgaard, Principal Product Owner bei Volue.

22. Juni 2021

Nur sehr wenige Dinge sind wirklich statisch. Man kann jedoch durchaus behaupten, dass der Betrieb von Stromversorgungsnetzen über Jahrzehnte hinweg statisch erfolgt ist. Jeder Tag sah genauso aus wie der gleiche Tag im Jahr zuvor.

Gelegentlich mussten die Stromnetze erweitert werden, um Neubaugebiete abzudecken oder um Industriegebiete mit mehr Strom zu versorgen. Natürlich wurden regelmäßige Wartungen durchgeführt und ab und zu waren nach Unwettern zügige Wiederherstellungsmaßnahmen nötig.

Aber all das verändert sich – insbesondere Verteilnetze stehen einer drastischen Veränderung gegenüber und müssen darauf reagieren.

Eine zuverlässige Stromversorgung ist ein Fundament für Wachstum und das tägliche Leben. Das gilt erst recht, wenn in naher Zukunft elektrischer Strom die Rolle fossiler Brennstoffe übernimmt.

Gleichzeitig wird der Betrieb eines Stromnetzes immer komplexer.

  • Dezentrale Erzeugungsanlagen mit variablen, erneuerbaren Energien (die in das Verteilungsnetz einspeisen) übernehmen von zentralisierten Anlagen, die nach Plan produzieren.

  • Elektrofahrzeuge werden im Netz aufgeladen und speisen in das Netz zurück.

Zudem wird die durch den Klimawandel zunehmende Anzahl an Unwettern und Bränden zu mehr Stromausfällen führen. Und damit muss natürlich umgegangen werden, bei gleichzeitiger Einhaltung von Vorschriften und dem Wunsch der Firmenleitung nach einem noch kostengünstigeren Netzbetrieb.

Unsere Art und Weise des Stromnetzbetriebs muss sich ändern. Und wir müssen diese Herausforderungen auf intelligent Weise angehen, damit uns Capex und Opex nicht um die Ohren fliegen.

Ich wage zu behaupten, dass es in den kommenden Jahren eine immense Entwicklung geben wird, die immer mehr Fahrt aufnimmt. Die Versorgungsunternehmen, die diese Veränderungen erfolgreich managen, sowie die Gesellschaften, in denen diese Unternehmen agieren, werden die Gewinner von morgen sein.

Die Versorgungsunternehmen, die diese Veränderungen erfolgreich managen, sowie die Gesellschaften, in denen diese Unternehmen agieren, werden die Gewinner von morgen sein.

Jens Dalsgaard Principal Product Owner, Volue

Vom reaktiven zum proaktiven Netzbetrieb

Historisch gesehen haben die Verteilnetzbetreiber (VNB) auf Netzausfälle immer nur „reagiert“ – auf Anrufe von Kunden, die Probleme mit Versorgungsunterbrechungen oder mit schlechter Spannungsqualität hatten.

SCADA-Systeme haben das automatische Messen und Erkennen von Problemen auf höheren Spannungsebenen ermöglicht. Und durch die Nutzung von Lösungen wie Advanced Distribution Management Systems (ADMS) und der Integration von Smart Metern werden Probleme in der Versorgungsqualität automatisch von den Zählern erfasst. Das ADMS kann dann potenzielle Störungsstellen durch die Nutzung dieser Erkenntnisse einengen.

Versorgungsunternehmen arbeiten immer noch reaktiv – sie handeln erst, wenn Fehler auftreten.

Da der Netzbetrieb immer unberechenbarer wird, erkennen die VNB, dass die Lösungen von gestern in Zukunft nicht mehr ausreichen werden. Versorgungsunternehmen müssen von der Reaktion zur Kontrolle wechseln. Wir müssen dazu eine proaktive Netzsteuerung ermöglichen.

Was ist ein proaktiver Netzbetrieb?

Ein proaktiver Netzbetrieb setzt voraus, dass der VNB die Auslastung sämtlicher Kabel, Freileitungen und Transformatoren rund um die Uhr und an jedem Tag im Jahr überwacht oder berechnet – und dies auch für den voraussichtlichen kurzfristigen Verbrauch und die Erzeugung an jedem Zähler. Und für das gesamte Netz.

Auf diese Weise weiß der VNB im Voraus über mögliche Überlastungen und Spannungsprobleme Bescheid. Dann kann er mit Hilfe von Softwarelösungen automatisch mit an das Netz angeschlossen Elektrofahrzeugen, mit dezentralen Energieerzeugern und mit Verbrauchern, die flexible Lasten anbieten, verhandeln und so die Netzauslastung proaktiv steuern.

Volkswagen hat gerade angekündigt, dass ab 2022 alle seine Elektrofahrzeuge einen Leistungsfluss in zwei Richtungen ermöglichen werden. Ich zweifle nicht daran, dass dies in Kürze von sämtlichen Fahrzeugherstellern angeboten werden wird.

Dies sollte von den Netzbetreibern genutzt werden, um Batterien aufzuladen, wenn dies für das örtliche Netz vorteilhaft ist, und um aus den Batterien in das Netz einzuspeisen, wenn dies erforderlich ist. Natürlich muss dabei die Batterie bei Bedarf immer noch aufgeladen werden.

Besitzer von Elektrofahrzeugen werden dadurch gleichzeitig zu Produzenten und Konsumenten. So machen wir die Vielzahl der lokalen Batterien zu einer Stärke statt zu einer Herausforderung.

Ebenso kann eine proaktive Netzsteuerung, wenn sich die Netzauslastung oder die Spannungen den Grenzwerten nähern, Signale an die Besitzer von Solarmodulen oder anderen dezentralen Energieressourcen (DER) senden, um die Produktion vorübergehend abzuschalten, herunterzufahren oder auf andere Weise zu verändern.

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Wie wird ein proaktiver Netzbetrieb ermöglicht?

Zur Unterstützung eines solchen Betriebs benötigen die Versorgungsunternehmen ein neues Portfolio von Softwarelösungen.

In Zukunft werden Daten- und Softwarelösungen genauso wichtig sein wie die Hardware. Das Fundament jeder Entscheidung sind die Daten.

Unsere Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit den verschiedenen Unternehmen, die sich darauf schon konzentriert haben, zeigt, dass die Datenanforderungen zur Unterstützung einer proaktiven Netzsteuerung hoch, aber erreichbar, sind.

Der Wert von Daten und Software – nicht nur als vage Einschätzung, sondern als fester Beitrag zur Unternehmensbewertung – muss bei jedem Netzbetreiber berücksichtigt werden. Unternehmen, die das noch nicht verstehen, stehen harten Zeiten gegenüber.

Die Versorgungsunternehmen benötigen ein neues Portfolio von Softwarelösungen.

Jens Dalsgaard Principal Product Owner, Volue

Der digitale Zwilling

Ein echter digitaler Zwilling eines Netzes umfasst eine konsolidierte Dokumentation von Netzgeometrie, Konnektivität, Schaltzuständen, Impedanzdaten und Betriebsmittelinformationen – und mit einem Detailgrad, der eine topologische Analyse und die Rückverfolgung über Stromkreise, Spannungsstufen und durch Umspannwerke hinweg ermöglicht.

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Auch für Außendienstmitarbeiter ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie überall, jederzeit und auf jedem Gerät Zugriff auf alle Netzdaten haben und diese nutzen und aktualisieren können.

Die Aufgabe, eine gute Datenqualität herzustellen, zu bewahren und einer zentralen GIS-Abteilung zu überlassen, führt zu ineffizienten Arbeitsabläufen – und bietet daher nicht den optimalen Wert der Daten.

Generell stelle ich mir eine nahe Zukunft vor, in der Versorgungsunternehmen weniger Prozesse und Arbeitsabläufe haben, die vom Arbeiten im Büro und den damit verbundenen Engpässen abhängen.

Die VNB werden Apps anbieten, die den Außendienstmitarbeitern direkt Entscheidungshilfen liefern – sei es bei der Planung eines neuen Netzes, der Durchführung von Kurzschluss- und Lastflussberechnungen, dem Austausch von Betriebsmitteln oder der Durchführung von Wartungsaufgaben.

Wie in vielen anderen Unternehmensbereichen auch sind Apps und die ihnen innewohnende Zugänglichkeit eine Notwendigkeit für die Datenverwaltung. Jedem Außendienstmitarbeiter werden bald die Werkzeuge zur Verfügung stehen, um Geschäftsprozesse zu unterstützen.

Aber die aktuelle Dokumentation des Netzes ist nur eine Seite der Medaille. Smart Meter, die stündliche oder viertelstündliche Werte liefern und Daten zur Netzauslastung sowie hochwertige Servicedaten liefern, sind die andere Seite.

Auf diesem Datenfundament beruhend benötigen die Versorgungsunternehmen ein Softwareportfolio mit folgenden Merkmalen:

  • Zuverlässige kurz- und langfristige Vorhersagen von Verbrauch und Erzeugung an jedem Zähler.

  • Aktuelle und zeitnahe Lastflussberechnungen und Vorhersage von bevorstehenden Netzengpässen.

  • Automatische Ermittlung von Abhilfemaßnahmen – welche Batterien geladen oder als lokale Erzeugungseinheiten verwendet, welche DERs abgeschaltet und welche Schalter geschaltet werden sollen.

  • Handel mit den vielen Elektrofahrzeug- und DER-Eigentümern und -Einheiten, die jetzt als Anbieter von Energieflexibilitätsdiensten auftreten.

Durch eine proaktive Netzsteuerung können Investitionen in den Netzausbau vermieden oder verschoben und Netzverluste minimiert werden.

Diese Vorteile können mit dem Elektrofahrzeug und den lokalen Batteriebesitzern geteilt werden, die als Anbieter von Flexibilitätsdiensten fungieren. Wir steuern auf eine Zukunft zu, in der es eine riesige Anzahl von Energieflexibilitätsdiensten gibt.

Wir hören oft von Kleinstnetzen (micro-grids) als Lösung für diese Herausforderungen. Ich glaube eher, dass diese Netze das Ergebnis der Lösungen sein werden.

Engagement der Unternehmen erforderlich

Die VNB stehen vor großen Veränderungen, und mit jeder großen Veränderung wächst auch die Unsicherheit.

Unter solchen Umständen neigen viele Unternehmen dazu, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die schiefgehen könnten, wenn sie ihre jahrzehntelange Arbeitsweise ändern. Der Widerstand im Unternehmen ist normal, hier kommt das Management ins Spiel.

Auch wenn die Lösungen teuer sind, so sind sie doch preiswerter als der Weg über die Hardware, d. h. die Verwendung von mehr Kupfer. Auch hier ist es erforderlich, dass sich die Führungskräfte auf den neuen Weg festlegen und die Finanzierung sicherstellen.

Versorgungsunternehmen, die sich den neuen Herausforderungen stellen, müssen sich bewusst sein, dass es sich um einen komplexen Wandel handelt und die Umstellung einige Zeit dauern wird.

Und so herausfordernd dies auch sein mag – wir sollten nicht die Tatsache ignorieren, dass die Alternative zu einer proaktiven Netzsteuerung durchaus zu einer Verschlechterung der Netzzuverlässigkeit und zu höheren Kosten für den Betrieb des Netzes und/oder den Ausbau der Hardware führen kann. Und auch zu Gesellschaften, die nicht mehr in der Lage sind, eine florierende Wirtschaft aufrecht zu erhalten.

Wenn Sie herausfinden möchten, wie Volue-Software bei einer proaktiven Netzsteuerung helfen kann, nehmen Sie Kontakt mit uns auf.

* Dieser Artikel wurde zuerst in Energy Central veröffentlicht.